EuGH, C-240/18 P: Schlussanträge des Generalanwalts vom 2.7.2019

Generalanwalt: Fack Ju Göhte verstößt nicht gegen die guten Sitten

Die Entscheidung, mit der das EUIPO die Eintragung der Marke „Fack Ju Göhte“ abgelehnt hat, sollte nach Ansicht von Generalanwalt Bobek aufgehoben werden. Die beleidigende und vulgäre Natur der Marke wurde nicht in Bezug auf einen speziellen sozialen Kontext zu einer bestimmten Zeit nachgewiesen.

Der Sachverhalt:
Im Jahr 2015 meldete die klagende Constantin Film Produktion GmbH beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das dem Titel eines erfolgreichen deutschen Films entsprechende Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ zur Eintragung als Unionsmarke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen an. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen, weil das Wortzeichen gegen die guten Sitten verstoße. Das EUIPO vertrat die Ansicht, die Wörter „Fack Ju“ würden genauso ausgesprochen wie der englische Ausdruck „fuck you“ und stellten daher eine geschmacklose, anstößige und vulgäre Beleidigung dar, durch die der hochangesehene Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe posthum beleidigt werde.

Im Jahr 2017 erhob die Klägerin Klage beim EuG und beantragte, die Entscheidung des EUIPO aufzuheben. Das EuG wies die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin beim EuGH Rechtsmittel ein und rügte Fehler bei der Auslegung und der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (Unionsmarkenverordnung), nach der Unionsmarken, die „gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen“, von der Eintragung ausgeschlossen sind, sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung.

In seinen heutigen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Bobek dem EuGH vor, das Urteil des EuG und die Entscheidung des EUIPO aufzuheben.

Die Gründe:
Das Recht auf freie Meinungsäußerung findet im Markenrecht Anwendung, auch wenn der Schutz dieses Rechts nicht das vorrangige Ziel der Marken ist, sondern es im Markenrecht im Wesentlichen darum geht, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Das EUIPO spielt beim Schutz der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten zwar eine Rolle, doch handelt es sich dabei nicht um seine Hauptaufgabe.

Möchte das EUIPO, wie im vorliegenden Fall, insbesondere auf das absolute Eintragungshindernis der guten Sitten abstellen, muss es darlegen, weshalb ein bestimmtes Zeichen gegen diesen Grundsatz verstößt. Diese Beurteilung muss sich unbedingt auf einen bestimmten sozialen Kontext stützen. Zudem dürfen keine tatsächlichen Beweise außer Acht gelassen werden, die die eigenen Ansichten des EUIPO darüber, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft den guten Sitten entspricht oder nicht entspricht, entweder bestätigen oder möglicherweise in Frage stellen. Mit anderen Worten: Diese Beurteilung kann nicht allein unter Berücksichtigung des Wortzeichens, isoliert von seiner allgemeineren Wahrnehmung in der Gesellschaft und seinem Kontext vorgenommen werden. Die vom EuG vorliegend bestätigte Beurteilung durch das EUIPO genügt diesen Anforderungen nicht.

Der Generalanwalt setzt sich insoweit mit der Bewertung bestimmter von der Klägerin vorgebrachter Aspekte durch das EUIPO und das EuG auseinander; dazu gehören etwa der Erfolg des Films „Fack Ju Göhte“, der trotz seines Titels nicht umstritten war, die ordnungsgemäße Genehmigung des Filmtitels und die Freigabe des Films für Jugendliche sowie dessen Einbeziehung in das Lernprogramm des Goethe-Instituts. Zwar ist keiner dieser Aspekte als solcher entscheidend für die Beurteilung i.S.d. Verordnung, doch geht von ihnen eine starke Indizwirkung für die soziale Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf die guten Sitten aus. Daher hätten das EUIPO und das EuG erheblich überzeugendere Argumente dafür anführen müssen, weshalb ihrer Meinung nach eine gleichnamige Marke wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gegenüber genau denselben Verkehrskreisen gleichwohl nicht eintragungsfähig ist.

Schließlich weist der Generalanwalt darauf hin, dass das Gericht rechtsfehlerhaft nicht beanstandet habe, dass das EUIPO die Abweichung von seiner bisherigen Entscheidungspraxis nicht angemessen begründet habe oder keinen schlüssigen Grund dafür angegeben habe, warum über die Anmeldung des Zeichens „Fack Ju Göhte“ anders zu entscheiden gewesen sei als in einem ähnlichen Fall3, auf den Constantin Film das EUIPO zur Unterstützung ihrer Anmeldung hingewiesen hatte.

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